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Abtauchen in ferne Erdzeitalter

Fotos

Auch von drohenden Gewitterwolken ließen sich am Sonntagnachmittag die erwartungsvollen Teilnehmer an der Geotopwanderung zum Kottingwörther Steinbruch nicht abschrecken: Auf Einladung des Frauenkreises (FK) machten sich 55 Frauen, Männer und Kinder am FSV-Vereinsheim auf, um eines der 100 schönsten Geotope Bayerns im Kottingwörther Arzberghang zu erkunden. Und auch der Wettergott hatte ein Einsehen und gewährte zwar schwüles, aber durchweg sonniges Wanderwetter.

Die Vorstandschaft hatte den einheimischen Geografen Harald Frauenknecht als kundigen Fachmann für die Erläuterungen vor Ort gewonnen. Er stellte den Arzberg zunächst einmal als den größten Umlaufberg Europas vor, der durch den Durchbruch der Sulz bei Beilngries in das bis vor 70000 Jahre vorhandene Urdonautal, das heutige Altmühltal, entstanden sei. Dann veranschaulichte er die riesigen Zeitdimensionen der Erdgeschichte und verdeutlichte das völlig unterschiedliche Klima im Jurazeitalter vor 150 Millionen Jahren, als die Gesteinsschichten des Weißen Jura oder Malm hier entstanden sind.

Abgesehen vom früheren Entwicklungsstand der Pflanzen und Tiere habe das eine ganz andere Flora und Fauna zur Folge gehabt. Wenn heute in unserer Region eine Jahresdurchschnittstemperatur von acht Grad Celsius herrsche, so seien es damals 23 bis 25 Grad gewesen. Das entspreche jetzt in etwa den Bahamas. Die damalige Vegetation lasse sich mit einem tropischen Urwald vergleichen, allerdings nicht mit Bäumen, sondern mit riesigen Farnen, Schachtelhalmen etc. Im Zeitalter der Dinosaurier dienten sie als Futter für die Sauropoden, das waren die riesigen Pflanzenfresser. Diese waren wiederum gefährdet durch die Fleischfresser. Deren kleinster Vertreter, der Juravenator, wurde erst vor wenigen Jahren in der Nähe von Eichstätt gefunden, ein etwa gänsegroßes, sehr gut erhaltenes versteinertes Jungtier.  Auch mehrere Exemplare des weltberühmten „Urvogels“Archaeopteryx  seien bekanntlich in der Region in verschiedenen Steinbrüchen entdeckt worden.

Die vor Ort deutlich unterscheidbaren Gesteinsschichten der 70 m hohen Kalk- und Mergelsteilwände seien in einem unvorstellbar langen Zeitraum von fünf Millionen Jahren durch Ablagerungen in einem weniger als 200m tiefen Flachmeer entstanden. Wegen der hier vorhandenen lückenlosen Aufeinanderfolge hunderter Schichten gelte der Steinbruch als „Leitprofil“. Bestimmte Fossilien kommen nur in bestimmten Gesteinsschichten vor, deren Alter hier wegen der vollständigen Abfolge gut errechnet werden könne. Treffe man zum Beispiel bestimmte Ammoniten, die sich in den Details ihrer Schalenform ständig verändert haben, in anderen Regionen wieder an, so könne man logisch auf das Alter der Schichten dort schließen. Man spricht deshalb von sogenannten Leitfossilien. Dies mache die wissenschaftliche Bedeutung des Kottingwörther Steinbruchs aus; für die mergelreichen Schichten des Malm spreche man auch von der „Arzberg-Formation“.

Frauenknecht betonte, dass er bei der Fülle der Erkenntnisse natürlich nur auf einige wesentliche Aspekte eingehen könne. Mit Informationen zur wirtschaftlichen Nutzung des Areals schloss er seinen aufschlussreichen Vortrag. Als „Steinbruch der Firma Leibrecht“ sei er von 1938 bis 1975 unter anderem zur Herstellung von Schotter und Split zum Straßenbau, aber auch zur Herstellung von Gesteinsmehl als Düngemittel in Betrieb gewesen.Im Jahre 1961 sei zusätzlich eine Teeranlage errichtet worden. Luftaufnahmen aus den 50er Jahren veranschaulichten die Ausführungen – für die Jüngeren kaum mehr vorstellbar, für die Älteren ein Schwelgen in Erinnerungen. Aber was seien die ca. 40 Jahre der wirtschaftlichen Ausbeutung im Vergleich zu den vergangenen 150 Millionen, bis zur Zeit der Dinosaurier, welche die Erde insgesamt ungefähr 160 bis 170 Millionen Jahre dominiert haben, bevor sie vor 65 Millionen Jahren vermutlich durch einen Meteoriteneinschlag ausgestorben sind.

Während dieses Gedankenaustausches  waren die erwartungsvollen Kinder schon eifrig bei der Fossiliensuche. Mit Unterstützung der Erwachsenen fand zwar niemand einen neuen Archaeopteryx, aber die kleinen begeisterten „Amateurgeologen“  konnten, zum Teil mit Hammer und Meißel ausgestattet,  doch einige schöne Bruchstücke von Ammoniten und Belemniten mit großem Stolz präsentieren (siehe Fotos).

Damit war die hochinteressante familiäre Sonntagswanderung nicht zu Ende. Im Gröglinger „Café im Holzhaus“ stärkte sich die Wandergruppe mit Getränken und köstlichen Kuchen. Einige Erwachsene waren bald mit ihren unermüdlichen Kleinen am oder auch im nahen Sandkasten wiederzufinden, bevor der Heimweg über die Kottingwörthermühle angetreten wurde.