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      Das Pfarrhaus feiert

       dieses Jahr seinen

        400. Geburtstag!

 

 Fotos

 

 

Unser altehrwürdiges Pfarrhaus an der „Alten Salzstraße“ ist ein stattliches Gebäude. Trotzdem steht es „im Schatten“ der übermächtigen Doppelturmfassade unserer Kirche. Sie ist der Blickfang, sie zieht oft das ganze Interesse der Touristen auf sich, die eine Besichtigung anstreben und vor allem die mittelalterlichen Fresken der Vituskapelle betrachten wollen. Häufig wird das Pfarrhaus einfach unbeachtet links liegen gelassen.

pfarrerhaus 11 20220911 1480519456Dabei sollte dem Gebäudegerade im Jahr 2022 mehr Aufmerksamkeit geschenkt werden. Kundige Einheimische wissen warum, auch aufmerksame Touristen verstehen diesen Fingerzeig sofort: Ein ovales Hinweisschild an der Hausmauer rechts der Eingangstür– zusammen mit dem quadratischen Gedenkstein anlässlich der Renovierung 1992/93 angebracht - weist nämlich darauf hin, dass das Gebäude im Jahr 1622 errichtet worden ist. Es „feiert“ also heuer seinen 400. Geburtstag!

Das Schild informiert auch darüber, dass das Pfarrhaus vor vier Jahrhunderten von Ulrich Dallein erbaut  und 1992/93 renoviert worden ist. Alten Aufzeichnungen ist zu entnehmen, dass 1622 hinter der Finanzierung die bischöfliche Hofkammer gestanden sei.

1622! Kann das sein? Da erscheint zumindest im ersten Moment ein großes Fragezeichen: Das wäre ja im fünften Jahr des schrecklichen 30-jährigen Kriegs von 1618 bis 1648 gewesen! Hatte man da nicht andere Sorgen als ein zweistöckiges Pfarrhaus mit erheblichem finanziellen Aufwand in einem kleinen Altmühldorf zu errichten? Laut dem Geistlichen und Historiker Franz-Xaver Buchner soll der Maurermeister Ulrich Dallein den Bau zusammen mit dem Zimmerermeister Matthias Kolvogt für die stattliche Summe von 523 fl (=Florentiner Gulden) verwirklicht haben. War das in Kriegszeiten überhaupt finanzierbar?

Bei einem genaueren Blick auf den Kriegsverlauf zerstreuen sich diese Zweifel schnell: In den ersten Kriegsjahren war die katholische Seite, die sog. Liga unter dem Oberbefehl von Johann T’Serclaes von Tilly, überaus erfolgreich. Süddeutschland war in den 20er Jahren vom eigentlichen Kriegsgeschehenmehr oder weniger unberührt. Erst 1630 wendete sich das Blatt mit dem Eingreifen des protestantischen Schwedenkönigs Gustav II. Adolf in dem ursprünglichen Religionskrieg, der immer mehr zu einem brutalen europäischen Machtkampf auf deutschem Boden ausartete. Durch den Vorstoß der Schweden nach Süden, unter anderemins Herzogtum Bayern, wurde in den dreißiger Jahren auch das Fürstbistum Eichstätt verwüstet, nicht zuletzt Eichstätt selbst. In den Jahren 1632 bis 1634 wurde die Willibaldsburg besetzt und gebrandschatzt, die völlig ausgeplünderte Stadt selbst wurde zum größten Teil durch furchtbare Brände zerstört. Natürlich blieb die gesamte Region nicht verschont. Beispielsweise berichten schriftliche Überlieferungen 1644 über die Kottingwörther Mühle, dass sie nach dem Schwedenkrieg „eingegangen und öde“ gewesen sei. Es soll im Dorf keine Brandstätten gegeben haben, aber sieben Hofstätten seien leer gestanden. Ob auch das neue Kottingwörther Pfarrhaus Schaden genommen hat, wissen wir nicht, ist aber anzunehmen.

pfarrerhaus 13 20220911 1015425892An dessen Hausfront zur Straße hin ist bis heute das 80cm mal 45cm große Wappen aus Solnhofer Stein des damaligen Fürstbischofs und Bauherrn zu sehen. Die Initialen I.C.E.E. weisen auf ihn hin: Johannes Christophorus Episcopus Eichstettensis. In diesem Zusammenhang darf eines nicht verschwiegen werden (siehe auch im „Nachtrag“): Dieser Johann Christoph von Westerstetten war einer der schlimmsten Hexenverfolger im Bistum Eichstätt. Während seiner Amtszeit von 1612 bis 1637 starben laut belegbaren Nachforschungen 176 unschuldige Frauen und Männer durch Schwert und Feuer. Schon als Fürstpropst von Ellwangen soll er zuvor gewütet haben. Insgesamt lasten ihm Historiker mindestens 274 Hinrichtungen an!

Nach den unvorstellbaren Schrecken des Krieges vor genau 400 Jahren ließ die Hofkammer 1702 den Viehstall des Pfarrers neu aufbauen, so ist es alten Aufzeichnungen zu entnehmen. Obwohl die Dorfpfarrer auch vom Kirchenzehnt profitiert haben, mussten viele zur Bestreitung ihres Lebensunterhalts im Mittelalter und darüber hinaus noch eine kleine Landwirtschaft betreiben. So erklärt sich der Bau des Viehstalls. Früher gehörte zum Pfarrhaus ja auch der Pfarrstadel, der auf der Luftbildaufnahme vom Oberdorf-Zentrum gut zu erkennen ist. An dem alten Holzstadel mit seinem Juradach nagte gegen Ende des letzten Jahrhunderts zusehends der Zahn der Zeit, zudem war er überflüssig geworden. Folglich wurde er im Juli 1984 abgerissen. Da „in den modernen Zeiten“ nun auch ein Pfarrer zuweilen mit einem Auto unterwegs war, in diesem speziellen Fall mit der Pfarrhaushälterin Maria Pflieger am Steuer, wurde eine kleine Autogarage in eineder Straße zugewandten Ecke des Vorgartens integriert.

pfarrerhaus 17 20220911 1182346089Neben Abrissarbeiten fanden natürlich immer wieder Renovierungen am und im Pfarrhaus statt. Eine davon war im Jahr 1724 nach einem wüsten Raubüberfall auf den Pfarrer nötig. Außerdem ist in den Akten eine aufwendige Restaurierung im Jahr 1744 bezeugt. Im 20. und 21. Jahrhundert können zumindest drei große Renovierungen mit Fotos belegt werden: So zeigt das Foto vom Festzug bei der Fahnenweihe des Kriegervereins im Mai 1958 ein eingerüstetes Pfarrhaus. Das schon erwähnte Schild weist neben dem Entstehungsjahr 1622 auch auf die umfassende Innen- und Außenrenovierung in den Jahren 1992/1993 hin. Der damalige Dorfchronist Willi Betz hat darüber im DONAUKURIER ausführlich berichtet (siehe entsprechende Zeitungsartikel). Und wie jeder Dorfbewohner sicherlich weiß, begannen ganz aktuell im Jahr 2020 erneute Sanierungsarbeiten am schadhaften Außenverputz, an den Fensterläden und an der Garteneinfassung. Letztere wurde nach längeren Arbeitspausen erst Mitte dieses Jahres, rechtzeitig zum 400. Geburtstag, fertiggestellt.

So präsentiert sich das Geburtstagskind im 21. Jahrhundert trotz seines hohen Alters immer noch als robust und nachhaltig. Einen Dorfpfarrer beherbergt es nicht mehr. Der letzte war der am 25. Januar 1974 verstorbene Andreas Mayer. Dann war es mit der kirchlichen Selbstständigkeit vorbei. Die ehemalige Urpfarrei wurde schon am 1. Dezember 1973 mit Töging fusioniert, wo sich auch die Pfarrerwohnung befand. Seit 1. Januar 2003 gehört die ehemalig selbstständige Pfarrei Kottingwörth zum Pfarreiverband bzw. Pastoralraum Beilngries.

Pfarrer weg, Pfarrhaus noch da, aber nicht leer und vernachlässigt. Besonders in diesem Jahr verdient es - wie schon gesagt - unsere Aufmerksamkeit. Aktuell bietet es zwei Mietwohnungen an, eine größere im oberen Stockwerk und eine kleinere unten, da hier noch die Bücherei und ein Pfarrbüro untergebracht sind. Dort wird auch der Moritz von Schwind-Ersatzaltar aufbewahrt. Er sollte einst den 1868 ins Eichstätter Bischofspalais umgesiedelten prächtigen Vitusaltar ersetzen. Außerdem beherbergt der Raum eine Figur des hl. Sebastian, die der im rechten Seitenaltar der Kirche mindestens gleichrangig ist. Diese Form der Nutzung wird wahrscheinlich zumindest mittelfristig bleiben - trotz der aktuellen Finanznöte des Bistums.

Solange unser historisches Pfarrhaus  nicht abgerissen oder dem Verfall überlassen wird, bildet es zusammen mit der Pfarrkirche und dem alten Schulhaus – mindestens symbolisch – immer noch das religiös-kulturelle Zentrum des Dorfes. Das ist nicht wenig!

Nachtrag:

Der spezielle DONAUKURIER-Artikel von 1993 über das bischöfliche Wappen an der Hausfront spiegelt recht anschaulich einen nicht mehr zeitgemäßen–übertrieben respektvollen, ja fast unterwürfigen - dörflichen Zeitgeist gegenüber der katholischen Kirche und ihren geistlichen Würdenträgern wider. Der Fürstbischof Johann Christoph von Westerstetten erscheint in dem Text als großer Förderer der Volksfrömmigkeit, der „die Herzen des einfachen Volkes für den Glauben zu gewinnen“ suchte. Insgesamt nur Lob für ihn, ja sogar Mitleid ob seines Kummers angesichts der zerstörten Stadt Eichstätt. Kein Wort der Kritik an seinen Hexenverfolgungen! Sie werden einfach verschwiegen. Auch ein bewusstes Weglassen oder ein Nichtwissen verfälscht die Geschichte.

Waren die grausamen Hexenverfolgungen dieses Fürstbischofs nicht bekannt  - oder waren sie schlicht und einfach ein Tabu?!

Da lobe ich mir den mutigen Maler der mittelalterlichen Fresken in unserer Vituskapelle: Bei der symbolischen Darstellung des Jüngsten Gerichts, unter anderem erkennbar an der Seelenwaage in den Händen des Erzengels Michael, wird rechts von diesem eine Personengruppe von einem Teufel zum Feuer speienden Höllenschlund geschleppt. Hoch interessant sind dabei die erste und letzte Person: unverkennbar ein Mönch und eben auch ein Bischof!Diese mutige Darstellung, die die damaligen offensichtlichen Missstände in der Kirche offen kritisiert, verdient Respekt!

Josef Wittmann im August 2022