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1494.

Endlich ist mal eine Jahreszahl angegeben!

Die Rede ist von der prächtigen Steinsäule im Garten

der Familie Hetzel an der Dietfurter Straße.

Sie wurde im letzten Beitrag schon kurz angesprochen. 

 

 

 Fotos

 

 

 

 

Im Band „Die Kunstdenkmäler von Bayern. Bezirksamt Beilngries I“ aus dem Jahr 1908 heißt es in dürren Worten am Ende des achtseitigen Kapitels über Kottingwörth, in dem hauptsächlich die Kirche (kurz auch der Pfarrhof) mit sieben Fotos und zwei Skizzen beschrieben ist:

„Kottingwörth. MARTERSÄULE

Am Weg nach Töging. Viereckiger Pfeiler, auf dem eine spitzbogig geschlossene Nische; oben Kreuz. Unter der Nische die Jahreszahl 1494 und Wappen (Fisch und Hufeisen). Kalkstein. H. 3m.“

Zusätzlich steht an anderer Stelle in diesem Band:

„Martersäulen sind häufig. Die älteste steht bei Kottingwörth; sie trägt die Jahreszahl 1494.“

Neben der korrekten Überlieferung der Jahreszahl darf man wohl auch annehmen, dass es sich hier um den ursprünglichen Standort am Ausgang des Dorfes handelt.

hetzel garten 3 20220531 1841882780An der hohen Steinsäule fallen mindestens drei Besonderheiten auf: zum einen die erwähnte eingemeißelte und eingefärbte klar erkennbare Jahreszahl 1494 in eigenartiger Schreibweise (zwei unten offene 8er-Ziffern stehen für die Ziffern 4), dann diverse Ähnlichkeiten mit dem Fischgrenzstein an der Brücke und schließlich das merkwürdige wappenförmig umrandete Relief aus Fisch und Hufeisen.

Da taucht die erste Frage auf: Hat der Fisch eine inhaltliche Verbindung zum Fischgrenzstein an der Brücke bzw. zur Bedeutung Kottingwörths als ehemaliges Fischerdorf? In einem DONAUKURIER-Artikel von 1974 werden die Steinsäule und der Fisch als weitere „Erkennungsmerkmale für Fischereirechte des Ortes im Mittelalter“ gewertet. Aber wie ist da das Hufeisen einzuordnen?

Zusätzlich sei noch auf eine weitere Merkwürdigkeit hingewiesen: Der Kunstdenkmäler-Text nennt zwar die Nische, nicht aber die heute darin sichtbare Abbildung. War die Nische Anfang des 20. Jahrhunderts leer oder anders bestückt? Wurde die Abbildung auf einem Blech, wie es in einem DK-Artikel von 1974 heißt (und es dem Augenschein nach auch der Realität entspricht), erst später eingefügt? Man muss es annehmen, zumal auch im Zeitungsartikel vermutet wird „Das auf Blech gemalte Marienbild dürfte um die Jahrhundertwende dort angebracht worden sein.“ Über die ursprüngliche Ausschmückung der Nische finden sich nirgends Hinweise - leider. Das macht konkrete Aussagen über die eigentliche Funktion der Steinsäule letztlich unmöglich.

Außerdem: In dem Zeitungsartikel ist von einem „Marienbild“ die Rede. Aber welche der beiden hetzel garten 2 20220531 1435088073weiblichen Personen ist die Mutter Gottes? Der Domkapitular und Kirchenhistoriker Franz Xaver Buchner (1872 –1959) spricht im Buch „Das Bistum Eichstätt, Band II“ (1938) von einer sogenannten Mutter-Anna-Säule. Dann wären Maria als Kind und ihre Mutter, die hl. Anna, dargestellt - statt Maria als Mutter mit ihrem Sohn Jesus. Die Aufschrift „Maria hat geholfen und wird weiter helfen“ spricht vielleicht eher für eine Mariensäule, ist aber nicht beweiskräftig, da sich der fromme Spruch ja auch auf die kindliche Mutter Gottes beziehen könnte.

(Nebenbei bemerkt: Eine Abbildung der jugendlichen Mutter Gottes mit ihrer Mutter Anna kann man in unserer Kirche auf dem Marienaltar oberhalb der prächtigen Marienfigur sehen.)

Da die Abbildung in der Nische erst später eingefügt wurde, hat sie evtl. auch gar nichts mit der ursprünglichen Funktion der Steinsäule zu tun. Die Originalausstattung kennen wir ja nicht. Beim Nachforschen über den Aufstellungsgrund muss man deshalb ebenso das Relief mit Fisch und Hufeisen berücksichtigen.

Wie dem auch sei, bedeutend ist die „Martersäule“ alleine schon aufgrund ihres Alters, wie in dem Kunstdenkmäler-Buch ja auch mit der Feststellung „die älteste“ Martersäulehervorgehoben wird.

 

Die Ähnlichkeiten mit der Brückensäule sind frappierend. Es gibt aber auch deutliche Unterschiede. Rätsel gibt das originelle Relief auf.

Dieses ist – wie das Fischrelief beim Fischmarterl an der Brücke – auf dem viereckigen, abgerundeten Säulenschaft eingemeißelt. Darüber findet sich wieder ein breiterer Säulenkopf mit einer gotischen, oben spitz zulaufenden Nische. Hier ist sie allerdings von einem Steinkreuz gekrönt. Ist das ein Hinweis, dass diese Steinsäule eher eine religiöse Funktion hatte - im Gegensatz zu dem weltlichen Fischgrenzstein?

Allerdings passt da das Hufeisen unter dem schräg nach links oben ausgerichteten Fisch nicht ins Konzept. Es hat eigentlich keinen religiösen Symbolgehalt, sondern ist ein weltlicher Glücksbringer. Der Fisch dagegen gilt als das geheime Erkennungszeichen der frühen Christen in der Zeit der Verfolgungen im Röm. Kaiserreich – wenn man denn auf eine religiöse Interpretation abzielen wollte. Andererseits hat diese Symbolik mit dem Ende des 15. Jahrhunderts nichts mehr zu tun. Also auch beim Fisch eine weltliche Funktion?

Die Kombination aus Fisch und Hufeisen ist überhaupt sehr rätselhaft, weil einmalig. Was könnte sie bedeuten? Darüber ist einfach nichts zu finden. Man kann nur vage Vermutungen anstellen: Glücksbringer für Händler, die das „Fischerdorf“ verlassen oder …?

Hier noch einige ergänzende Erläuterungen zum Hufeisen als Glücksbringer gemäß diverser Quellen im Internet:

Der Glaube an die Kraft des Hufeisens ist in der ganzen Welt seit alters her verbreitet. Einerseits war ein Hufeisen sehr bedeutend: Erst seine Erfindung machte das Pferd zu einer dauerhaft nutzbaren Energiequellefür den Menschen, dennes schützte die empfindlichen Hufe sowohl der Reit- wie auch Arbeitspferde und revolutionierte so das Kriegs- und Transportwesen.

Aber warum sollte ein Hufeisen magische Kräfte haben? Es könnte damit zusammenhängen, dass man damals nicht wusste, dass die Pferde an der Hornschicht des Hufes keine Nerven haben und ihnen somit – zur großen Verwunderung - das Schmerzempfinden beim Anpassen der heißen Eisen fehlt.

Aber auch der christliche Aberglaube spielt eine Rolle: Demnach geht das Glück des Hufeisens auf den heiligen Dunstan von Canterbury zurück. Der soll dem Teufel den Huf unter Schmerzen beschlagen haben und hörte erst mit dem Hämmern auf, nachdem dieser ihm versprochen hatte, alle zu verschonen, die ein Hufeisen besitzen.

Dann gibt es noch das Problem, wie man das Hufeisen eigentlich aufhängen muss, damit es seine positiven Kräfte entfalten kann. Im Mittelalter zeigte die Öffnung nach unten. Hintergrund war der Glaube an die Macht des Eisens selbst: Der Teufel und all seine Heerscharen sollten nicht imstande sein, unter einem Eisenbogen hindurchzugehen, und sei dieser noch so klein. Mit der Öffnung nach unten über Türen und Kaminen angebracht, sollte das Hufeisen außerdem vor Blitzschlag schützen, über dem Türsturz Fremden und Gesindel den Zutritt verwehren.

Die Öffnung nach unten ermöglichte es angeblich dem Glückherauszufließen und sich zu verteilen. Andersherum aufgehängte Eisen galten lange als Teufelswerk, weil die aufragenden Eisenschenkel an Teufelshörner erinnerten.

Dann erfolgte eine Umdeutung: Das nach oben offene Eisen symbolisierte einen Brunnen, in dem das Glück gefangen wurde. Wer sich nicht ganz sicher war, nagelte einfach zwei Hufeisen nebeneinander – einmal mit der Öffnung nach oben, einmal mit dem Bogen nach oben. Oder er nahm die Öffnung nach rechts – das so entstandene C stand dann für Christus und garantierte dessen Schutz.

Das Hufeisen auf unserem Säulenschaft ist nach unten offen und verweist somitdem Jahr 1494 entsprechend noch auf die mittelalterliche Sichtweise.

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Fazit: Letztlich bleiben also nicht nur bei der Frage nach der Hängeweise des Hufeisens offene Fragen, sondern wieder einmal auch bei einem historischen Denkmal in unserem Dorf. Aber man muss diesen  ja auch nicht unbedingt all ihre Geheimnisse entreißen. Nicht zuletzt sie verleihen ihnen eine zusätzliche Attraktivität und Aura!

Seien wir dankbar, dass die steinernen Zeitzeugen überhaupt noch unser Dorf schmücken und uns an seine Vergangenheit erinnern. Denn zur Zeit der sog. Säkularisation hatte man ihnen unverständlicherweise den Existenzkampf angesagt, wie im Band 4 der Schriftenreihe des Bayerischen Landesvereins für Heimatpflege berichtet wird. „Zu Beginn des 19. Jahrhunderts wurde in Bayern die staatliche Anordnung erlassen, dass alle Feldkreuze, Bildstöcke, Sühnekreuze usw. aus der Flur zu entfernen seien.“

Was lernen wir daraus? Beileibe nicht alles, was „von oben“ verordnet wird, ist sinnvoll. Das war so und ist immer noch so.

Josef Wittmann im Mai 2022