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joomplu:5802Geschichtsträchtiges Dorf an der Salzstraße  - ausführliche Version -

Fotos

Waren die Vorfahren der Kottingwörther verrückt? Jedem aufmerksamen Besucher fällt unschwer auf, dass das Dorfzentrum mit seiner imposanten Kirche mitten im Tal liegt, also mitten im Hochwassergebiet. Und dabei hätten sich doch – wie bei den anderen Altmühldörfern auch – die sanften unteren Talhänge als sicheres Siedlungsgebiet angeboten. Wie konnten sie nur! Die aufwendigen Wasserstege (der große wurde um 1910 erbaut) wären gar nicht nötig gewesen. Und wozu braucht´s eigentlich eine Kirche mit gleich zwei mächtigen Zwiebeltürmen, in einem Dorf mit derzeit 460 Einwohnern, früher noch viel weniger? Kommt da etwa auch noch ein bisschen Größenwahn hinzu?

Zur Ehrenrettung der Kottingwörther Ahnen sei schon einmal vorweggenommen: Das lässt sich alles historisch erklären. Von wegen verrückt und größenwahnsinnig! Obwohl, „ver-rückt“ ist die Ansiedlung im Altmühltal wohl doch irgendwann einmal worden. Darauf verweist indirekt schon der zusammengesetzte Name „Kotting-wörth“.

 

Der aufschlussreiche Name

Der erste Namensbestandteil „Kotting“ belegt mit der typischen „-ing“-Endung eine germanische Siedlung nach der Völkerwanderung im 6. Jahrhundert nach Christus. Üblich war damals, dass die Neugründung nach dem Sippenhäuptling benannt wurde, zum Beispiel einem Kuoto oder Godwin. Man hat sicherlich zunächst den aufgrund der häufigen Überschwemmungen sumpfigen, mit vielen fieberverbreitenden Mücken belasteten Talgrund gemieden und sich am Berghang unterhalb des Hirlochs angesiedelt, wo auch eine Quelle entsprungen ist. Auf so eine Hangsiedlung deuten nicht zuletzt einige Funde hin. Aber warum dann später die Umsiedlung mitten ins zunächst bewusst gemiedene Tal? Man darf hier einen Zusammenhang mit den Raubzügen der Ungarn vermuten, die im 10. Jahrhundert von Regensburg her das Land verwüsteten. Auf der dortigen „Wörth“, also auf der „Insel“ mit teils sumpfigem Umland, war man vor den gefürchteten Reiterkriegern einfach viel besser geschützt. So lässt sich die Zusammensetzung „Kotting-Wörth“ logisch erklären – und damit die Lage mitten im Tal, bei der es dann durch die Jahrhunderte geblieben ist. So gesehen ist die Siedlung also wirklich verrückt worden, und zwar aus gutem Grund! In der frühesten Urkunde mit der Erwähnung des Ortsnamens aus dem Jahr 1080 wird dieser noch mit „Werede“ wiedergegeben. Bei einem großen Hochwasser, zuletzt 2011, wird der Ortskern auch im 21. Jahrhundert komplett von den Fluten eingeschlossen, die „Wörth“ tritt dann auf einmal wieder in Erscheinung. 

Geologischen Vorgaben machen Geschichte   

Die Bedeutung dieser Insellage sollte man keinesfalls unterschätzen. Da die Altmühl als einziger Fluss den Fränkischen Jura über eine beträchtliche Strecke auch in West-Ost-Richtung durchfließt, stellten der Flusslauf und seine durchaus steilen Hänge, einst von der Urdonau während der Eiszeiten geschaffen, ein erhebliches Hindernis für den Nah- und Fernhandel in Nord-Südrichtung und umgekehrt dar. Zu denken ist dabei vor allem an den bedeutenden Salzhandel. Dass auch Kottingwörth davon berührt wurde, besagt schon die Bezeichnung „Alte Salzstraße“ für den heutigen Verkehrsweg durch das Dorfzentrum über die Brücke.  Im Mittelalter verlief nämlich eine der Salzstraßen von Salzburg her die Salzach hinunter und ging dann bei Altötting/Neuötting über den Inn. Bei Landshut überquerte sie die Isar und lief über Siegenburg Richtung Donau. Bei Pförring, einer der Hauptfurten der oberen Donau und sogar im Nibelungenlied genannt, überwand sie diese und kam dann über Sandersdorf, Schamhaupten, Pondorf, Eglofsdorf nach Amtmannsdorf. Das entspricht dem Verlauf der heutigen B299! Jetzt stand man vor dem tiefen Tal. Mindestens zwei geologische Vorteile führten dazu, dass Kottingwörth im Mittelalter eine viel größere Bedeutung zukam als heute: Gerne nahm man da natürlich den sog. Hirlocheinschnitt in Anspruch, der mit seinem viel flacheren Hang seit alters her weit und breit die einzige Möglichkeit bot, relativ ungefährlich auch mit Fuhrwerken von der Anhöhe ins Tal zu gelangen - und umgekehrt. Die Bereitstellung zusätzlicher Vorspannpferde beim Weg hinauf war für einige Dorfbewohner ein guter Zuverdienst. Auch für den Schmied und den Wagner gab es Arbeit – und nicht zuletzt immer wieder Gäste für den Dorfwirt mit seiner Taferne. Mehrere Spuren und Hohlwege im Wald beweisen eine rege Nutzung dieser Route. Im Tal bot dann die „Wörth“ eine relativ flache Doppelfurt als Altmühlübergang. Schnell war man jetzt in Beilngries und konnte über das Sulztal die damaligen Eisenindustriezentren Amberg und Nürnberg ansteuern. Es wurde ja nicht nur mit Salz gehandelt, man brauchte zum Beispiel auch eine Rückfracht. Dass diese beiden geologischen Vorteile mit dem nahen Anschluss nach Norden von einiger Bedeutung waren, beweist der spätere aufwendige Bau der mächtigen steinernen Kottingwörther Brücke (1928/1929 im Zuge der Altmühlregulierung abgerissen), die laut einzelner Lokalhistoriker bereits 1447 existiert haben muss, da die Schenken von Töging damals den Brückenzoll erhoben. Die Kottingwörther Zollstätte hatten sie 1413 zu Lehen erhalten, und zwar bis 1584. Hätte der Altmühlübergang eine eher geringe Bedeutung gehabt, hätte man die Furt sicher nicht durch eine teure Brücke ersetzt. Nach dem Verlanden des nördlichen Altmühlarms war die übriggebliebene Furt mit der jetzt größeren Wassermenge wohl viel schwieriger zu durchqueren. 

Schon zur Zeit der Kelten darf man der Kottingwörther Doppelfurt eine nicht geringe Bedeutung zumessen. Im „Birklach“, im Wald auf der Hochebene nahe Paulushofen, und darüber hinaus sind Grabhügel aus der Bronze- und Hallstattzeit deutlich sichtbar. Nachforschungen haben ergeben, dass unsere Region zur Zeit der Kelten dicht besiedelt war. Man denke vor allem an das große Oppidum Manching und die keltische „Industriesiedlung“ bei Pollanten mit ihrer äußerst intensiven Schmiedetätigkeit. Zwischen den beiden bedeutenden Zentren wurden rege Handelsbeziehungen nachgewiesen: Bronze- und Eisenwaren nach Manching, Töpferwaren nach Pollanten. Schon weit vor dem Mittelalter lag das Altmühltal dem Handel quer im Weg, auch dem schon damals wichtigen Salzhandel. Sabine Rieckhoff schreibt in ihrem Buch „Die Kelten in Deutschland“: „Mit dem Salz vom Dürrnberg bei Hallein mussten immerhin das gesamte Voralpenland, die Oberpfalz und zumindest das südliche Franken versorgt werden. […] Wahrscheinlich kann man sich den Salzverkehr […] gar nicht rege genug vorstellen.“ Schon damals boten sich die geologischen Gegebenheiten bei Kottingwörth als Lösung bei der Überwindung von Fluss und Tal an. Vielleicht sollte man auch die Altmühlinsel etwas unterhalb der Furt/Brücke nicht vergessen, welche schon früh den Bau der Kottingwörthermühle als weiteren Wirtschaftsfaktor begünstigte. Diese wird bereits 1306 urkundlich erwähnt. Felix Mader vermutet in seiner „Geschichte des Schlosses und Oberamtes Hirschberg“ hier bereits ein Mühlwerk, „als die Grafen von Hirschberg noch in Grögling saßen“, also in der Zeit zwischen 1100 und 1200.

Wenn man sich frägt, warum ausgerechnet Kottingwörth zu einer der Urpfarreien und so zu einem regionalen religiösen Zentrum aufgewertet wurde, dann findet sich wohl im oben geschilderten Zusammenhang die Antwort: Hier war aufgrund der günstigen Lage ein vergleichsweise bedeutender Ort entstanden, der seit alters her Menschen und Waren angezogen hat. In späteren Jahrhunderten wurde das Dorf dann von Beilngries und Dietfurt, wo Täler in mehrere Richtungen verzweigen, in den Schatten gestellt. Aber immerhin gehörte Dietfurt bis 1540 zur Urpfarrei Kottingwörth, als die viel größere Siedlung schon das Stadtrecht zugesprochen bekommen hatte! Die Urpfarrei umfasste einst zum Beispiel ferner Töging (bis 1467), Ottmaring (bis 1483), Hainsberg (bis 1584), Paulushofen, Amtmannsdorf (beide bis 1792), heute nur noch die Filialen Grögling, Leising und Vogelthal. 

Die Bedeutung Kottingwörths unterstrich auch der große mittelalterliche Meierhof, den Mader in seinem Buch als den „größten Meierhof unseres Gebiets“ einschätzt. Er war im Besitz der Grafen von Hirschberg, nach deren Aussterben im Jahr 1305 ab 1313 in fürstbischöflichen Händen. Die hier abzuliefernden Abgaben („Gült“) sollen laut Maders Berechnungen etwa 300 Tagwerk entsprochen haben! Neben der Taferne (Gasthof) in Kottingwörth seien auch die in Denkendorf, Dörndorf, Aschbuch, Irlahüll und Oberemmendorf zinspflichtig gewesen. Das alles will neben der Urpfarrei schon was heißen.

Hier kann nicht auf alles eingegangen werden, zum Beispiel auf das ansässige Ministerialengeschlecht der Herren von Werde, aber wichtig ist sicherlich noch, dass Kottingwörth ein altes Fischerdorf an der fischreichen Altmühl war. Hier gab es zwei Fischlehen, an welche bis heute die Hausnamen „Fischer“ und „Fischerkoarl“ sowie die beiden privaten Fischwasserrechte erinnern. Auch die bemerkenswerte Steinsäule mit ihrem dachförmigen Oberteil, das eine gotische Bildnische umfasst, und ihrem eingemeißelten Fischrelief darunter weist unübersehbar auf ehemalige Fischereirechte und -grenzen hin. Heute steht sie neben der Brückenkapelle, was nicht ihrem ursprünglichen Standort entspricht, wie alte Fotos zeigen.

Die Kirche, der allgegenwärtige Blickfang

Man kann sich hinstellen, wo man will, ob auf einen der Berghänge oder mitten ins Tal, immer bildet die Doppelturmfassade der Kottingwörther Kirche den Blickfang. Das war im Mittelalter so noch nicht. Das erste Gotteshaus der Urpfarrei am östlichen Grenzgebiet des Bistums Eichstätt war sicherlich eine sehr bescheidene Holzkirche. Der früheste schriftliche Nachweis geht auf das Jahr 1183 zurück, als Bischof Otto hier einen Altar rekonzialisiert hat, also nach einer Entweihung wieder geweiht hat. Es war somit schon früher eine Kirche vorhanden. Der römische Märtyrer-Patron St. Vitus verweist auf das 9./10. Jahrhundert. Die ältesten Bestandteile finden sich heute im Erdgeschoss des Westturms, sie stammen aus der Zeit um 1250, wie dendrochronologische Untersuchungen ergeben haben.

Das zeigt, dass nicht nur die mittelalterliche Vituskapelle aus der Zeit um 1310 in den Kirchenneubau von 1760 bis 1763 integriert wurde. Dieser, besonders die kunst- und kulturhistorisch bedeutenden mittelalterlichen Fresken der Kapelle im östlichen Turm, sind schon mehrfach beschrieben und gewürdigt worden. Außerdem liegt vor der Vituskapelle ein ausführlicher Kirchenführer für jedermann auf, seit 2016 in einer neuen, überarbeiteten Auflage. Daher sollen Kirche und Kapelle hier nur kurz erwähnt werden, auch ein ehemaliges weiteres Glanzstück, nämlich der Renaissance-Vitusaltar aus der Zeit um 1500, ein prachtvoller Flügelaltar mit kunstvollen Reliefs und Holzmalereien. Er steht bekanntlich seit 1868 in der Hauskapelle des Eichstätter Bischofpalais.

Die Kottingwörther Kirche ist eine sogenannte Wehrkirche, wie die bis heute erhaltene Ummauerung des Friedhofs und der Eingangsturm mit dem gotischen Treppengiebel zeigen. Letztlich lässt sich auch die Doppelturmfassade auf das Verteidigungsansinnen zurückführen: Als im 16. Jahrhundert die Kirche renoviert und erweitert wurde, wurde zusätzlich zum Westturm über der Vituskapelle ein weiterer östlicher Turm errichtet. Warum? Ein zugemauerter Durchgang über der Kapelle, an der Westseite des Turms, löst das Rätsel: Er ermöglichte den Zugang zum Dachboden des damaligen west-östlichen Kirchenschiffs. So waren dort und im neuen Turm zusätzliche Schutz- und Lagerräume verfügbar. Mit den Baumaßnahmen war eine Kirche mit zwei Türmen, und zwar hintereinander, entstanden! Ein überlieferter Aufriss von 1749 zeigt das eigenartige Bauwerk. Auch das stattliche Pfarrhaus von 1622 ist durchaus erwähnenswert.

Als nun ab 1760 der jetzige Bau in Angriff genommen wurde, nahm man die Länge der bisherigen Kirche als Breite, erhöhte die beiden Türme und ersetzte ihre Pyramidenhauben mit den heutigen zwiebelförmigen Dachstuhlkonstruktionen. Das neue, viel größere Kirchenschiff wurde nach Norden ausgerichtet. Fertig war die Doppelturmfassade. Also kein Größenwahn, sondern kluge Integration historischer Bausubstanz.  

Die Kirche und das nahe Schulhaus bilden zusammen mit dem Treffer Stadl und dem Wirtshaus zur Sonne seit jeher die zentrale Dorfachse, die das Ober- und Unterdorf zusammenhält. Bindeglied spielt dabei der denkmalgeschützte Jurastadl aus dem 18. Jahrhundert, der vom einstigen imposanten Treffer-Anwesen übrig geblieben ist. Ihm gegenüber stand im Mittelalter der schon angesprochene große Meierhof, von dem leider nichts geblieben ist.

Dorfentwicklung im 20. und 21. Jahrhundert

Der Dorfchronist Andreas Ach hat aufgeschrieben, dass um 1900 die Talwiesen zum größten Teil im Besitz von Bergbauern waren: „Kottingwörth war einst ein Taglöhner-Dorf mit nur zwei richtigen Bauern: Frauenknecht (Treffer-Anwesen) und Merkl.“ Um 1900 habe es dann vier größere Bauern im Dorf gegeben. Allmählich spielte die Landwirtschaft eine immer größere Rolle. Das Jahr 1959 betreffend hielt Ach fest: „17 Anwesen können sich rein von der Landwirtschaft ernähren, 15 Anwesen sind im Nebenberuf landwirtschaftlich, im Hauptberuf auf der Mühle, Säge, im Steinbruch, als Maurer oder Zimmermann beschäftigt oder sie sind Handwerker: Schmied, Schneider.“ Er vermerkt auch noch: „Die erste Zugmaschine lief auf dem Pfenninghof, eine alter Lanz mit Eisenrädern, die zweite schaffte sich die Fa. Regnath – auch vor dem II. Weltkrieg – an. […] Seit einigen Jahren wurden auch Heuaufzüge eingebaut“. Mit der Flurbereinigung ab 1967 setzte endgültig die Mechanisierung und das Effektivitätsdenken in der Landwirtschaft ein. Das heutzutage im Zweijahresrhythmus stattfindende Drescherfest erinnert anschaulich daran. Der Pfenninghof hatte 1959 sogar noch einen Hopfengarten. Damals gab es zwei Gastwirtschaften, Stiegler und Forster. Die 332 Dorfbewohner, sechs Flüchtlingsfamilien eingeschlossen, konnten bis in die 70er/80er Jahre außerdem in zwei, später noch einem Kramladen, nämlich Hirl und Pfauntsch (seit 1952), einkaufen. 1948 waren in Kottingwörth noch 30 Flüchtlingsfamilien bestehend aus insgesamt 133 Personen untergebracht gewesen.

Heute macht es keinen Sinn mehr, Autos, Traktoren oder andere landwirtschaftliche Maschinen zu zählen, wenn sogar schon einzelne Privatpersonen ohne Bewirtschaftung von Wiesen oder Äckern Zugmaschinen besitzen. Es gibt im Dorf nur noch drei Nebenerwerbslandwirte, viele Felder und Wiesen sind an die schon erwähnten „Bergbauern“ verpachtet. Höchstens die allmählich wachsende Zahl von Elektroautos wäre von Interesse. Ebenso dienen heutzutage Windräder, Fotovoltaikanlagen, der Ausbau des Internets, demnächst die Einführung des 5G-Netzes und eine ökologische nachhaltige Landwirtschaft als Zeichen des Fortschritts. In diesen Bereichen gibt es noch erheblichen Ausbau- und Aufholbedarf – nicht nur in Kottingwörth.

Die Arbeitsverhältnisse haben sich radikal verändert, Kottingwörth ist kein Bauerndorf mehr. Mehrere Scheunen zeugen noch von den Bauernhöfen, aber der Lebensunterhalt wird seit etlichen Jahrzehnten in der Industrie, im Handwerk und im Dienstleistungsgewerbe verdient. Im Dorf selbst ist das Angebot diesbezüglich gering. Einige Familien vermieten immerhin Ferienwohnungen, die Pension Arzberghof nutzen zahlreiche Urlauber als Unterkunft.

Früher gab es zwei größere Arbeitgeber, zum einen von 1939 bis 1975 den Leibrecht-Steinbruch. Nachdem dort 1961 zum bestehenden Schotterwerk zusätzlich ein Bitumen- und 1967 ein Fertigbetonwerk erbaut worden waren, fanden laut Chronikaufzeichnungen 1972 ca. 30 Männer eine Beschäftigung. Zum andern konnten gleichzeitig auf der Mühle und Säge der Kottingwörthermühle ca. 25 Personen, vornehmlich aus Töging und Kottingwörth, ihr Auskommen finden. Diese Zeiten sind vorbei. Die Mühle wurde noch 1972, das Sägewerk zu Jahresbeginn 2018 eingestellt, wird aber mit einem Holzhandel weitergeführt.

Das Wehr der Kottingwörthermühle, im Zuge der Altmühlregulierung Ender der 20er Jahre gebaut, wurde 2012 grundlegend saniert und 2013 mit einem Umgehungsbach für Fischwanderungen ergänzt. Der Steinbruch, als solcher 1975 eingestellt, hat inzwischen eine wissenschaftliche Aufwertung erfahren: Er wurde 2011 wegen seiner geologisch bedeutenden Malmschichten des Oberen Jura in die Liste der 100 schönsten Geotope Bayerns aufgenommen. Diese klar erkennbaren Schichten sind vor rund 150 Millionen Jahren im damaligen flachen Jurameer abgelagert worden. Die verschiedenen Ammonitenarten, die hier in einer lückenlosen Aufeinanderfolge hunderter Gesteinsschichten zu finden sind, dienen Geologen als Leitfossilien bei der Altersbestimmung von Gesteinen. So gilt der Steinbruch (die „Arzberg-Formation“) als Leitprofil für die Zeit des Oberen Jura.

Die 60er Jahre haben bei den Verkehrsverbindungen einen entscheidenden Schritt nach vorne gebracht: Einerseits wurde Mitte des Jahrzehnts endlich die Dorfstraße geteert, allerdings noch ohne die Gehsteige, die erst 1977 unmittelbar vor dem Verlust der politischen Selbständigkeit ergänzt worden sind. 1967 war der Ausbau der Straße nach Amtmannsdorf fertiggestellt, außerdem hatte das Dorf 1962 die heutige viel breitere Altmühlbrücke bekommen. Das waren wichtige Schritte in die Moderne. Dazu gehörte sicherlich noch die späte Kanalisation Anfang der 90er Jahre. Andererseits verlor Kottingwörth 1967 mit der endgültigen Stilllegung der Eisenbahnlinie Beilngries - Dietfurt seinen „Bahnhof“. Nur der streckenweise begehbare Bahndamm ist übriggeblieben.   

Entwicklungsschritte im 21. Jahrhundert

Sichtbarstes Zeichen der erfolgreichen Dorfentwicklung im neuen Jahrtausend ist die Mühlleiten-Siedlung, die seit 2011 herangewachsen ist. Hier und jenseits der Straße nach Amtmannsdorf sind viele Neu-Kottingwörther heimisch geworden. Sie stellen einen großen Gewinn für die Dorfgemeinschaft dar. Das zeigt sich beispielsweise alleine daran, dass drei von ihnen den Vorsitz eines Dorfvereins übernommen haben.

Wichtige Jahre nach der Jahrtausendwende waren für das Dorf sicherlich 2005 und 2006. Zunächst einmal wurden in diesen Monaten die ökologischen Ausgleichflächen an der Altmühl zwischen Kottingwörth und Leising angelegt. Seit Oktober 2006 hat das Dorf auch wieder die kleine Insel gegenüber dem langen Wassersteg zurückerhalten, die der Altmühlregulierung zum Opfer gefallen war. Im Ort selbst hat die Freiwillige Feuerwehr aus Platzgründen und anlässlich der 125-Jahr-Feier des Vereins 2006 das neue Feuerwehrhaus gebaut. In diese beiden Jahre fiel zudem die Rettung des denkmalgeschützten Jurastadels in der Dorfmitte, der im Juli 2006 eingeweiht werden konnte. Der sogenannte Treffer-Stadel war 2005 vom Verein für Tradition und Kultur in Kottingwörth e. V. (VfTK) gekauft und von Grund auf als Veranstaltungsstätte renoviert worden. Dafür wurde der Verein 2007 mit der bayerischen Denkmalschutzmedaille ausgezeichnet. Die Gründung des VfTK war 1998 im Zusammenhang mit der Umwandlung des alten Schulhauses in ein Gemeinschaftshaus in der Zeit von 1997 bis 2000 erfolgt. Von Gruppen und Vereinen im Dorf wird es seither reichlich genutzt. Die drei großen Baumaßnahmen wären ohne eine riesige Zahl freiwillig geleisteter Arbeitsstunden von Ortsbewohnern unmöglich zu stemmen gewesen. Auf kirchlicher Seite kam 2013 noch eine große Kirchenrenovierung anlässlich des 250-jährigen Jubiläums von St. Vitus hinzu. Erst im vergangenen Jahr sorgte dann die Feuerwehr mit dem Kauf eines Löschautos für Schlagzeilen. Im März 2020 erfolgte die endgültige Indienststellung, die am 9. Mai geplante Fahrzeugweihe mit großem Fest fiel vorläufig der Coronavirus-Pandemie zum Opfer.

Zur Ausgestaltung eines lebendigen Dorflebens gehören natürlich noch weitere Gruppen und Vereine: die viel gelobte Theatergruppe, der rührige Frauenkreis, die 1924 gegründete Krieger- und Soldatenkameradschaft, der 1995 gegründete Obst- und Gartenbauverein und natürlich der FSV Kottingwörth mit seinem Vereinsheim und den zwei hervorragenden Fußballplätzen. Der FSV hat erst im vorigen Jahr sein 70-jähriges Jubiläum feiern können. Seine Wurzeln reichen aber bis 1927 zurück, wie ein altes Mannschaftsfoto beweist. Wesentliches über den FSV und die Feuerwehr ist in Jubiläums-Festschriften nachzulesen, über den Kriegerverein in einem Geheft, verfasst von Josef Wittmann. Gleiches gilt für das Schulwesen in Kottingwörth. Außerdem informieren zwei große Infotafeln am Spielplatz und FW-Haus über die Historie und Entwicklung des Dorfes.

Neben den kirchlichen Festen gehören in Kottingwörth zum Beispiel das Maibaumaufstellen, das schon erwähnte Drescherfest mit Oldtimerschau (im Zweijahresrhythmus) mit der Spezialität „Kottingwörther Stemp´m“, die Stodlweihnacht und die Rosenmontagsmaschkerer zum Brauchtum. Den Höhepunkt in jedem Jahr bildet zweifellos das jährliche Dorffest an zwei Wochenenden Anfang/Mitte Juli mit den Theateraufführungen auf der professionellen Bühne im urigen Treffer-Stadl. Nur heuer hat das Coronavirus einen Strich durch die Rechnung gemacht.  

In einem jährlich gemeinsam erstellten Veranstaltungskalender werden alle Termine abgeglichen und festgehalten. Auf der Kottingwörther Homepage kann jedermann Texte und Fotos zu aktuellen Themen einsehen, seit 2003 wird auf einer CD, später DVD, das Wesentliche in Wort und Bild für die Nachwelt festgehalten. Frühere Zeiten betreffend liegen mehrere Sammelordner mit Chronikcharakter vor.

Zieht man ein Fazit, so ist neben vielem Positiven auch ein „Abstieg“ zu konstatieren: Mit der Eingemeindung nach Beilngries ab 1. Mai 1978 ging die politische Selbständigkeit verloren. Aber immerhin war und ist das Dorf im Stadtrat vertreten und hat mit Brigitte Frauenknecht  von 2008 bis 2014 sogar die Bürgermeisterin gestellt. Mit der endgültigen Schließung der Volksschule 1969 und dem Verlust einer eigenständigen Pfarrei seit der Zusammenlegung mit Töging ab dem 1. Dezember 1973 und der Eingliederung in den Pfarrverbund Beilngries im Jahr 2003 erlitt die kulturelle Bedeutung einen Rückschritt. Die Stilllegung des Steinbruchs 1975 und des Sägewerks Anfang 2018 bedeuteten einen wirtschaftlichen Verlust. Man ist sozusagen in mehreren Bereichen zu einem Anhängsel geworden. Nicht einmal einen Tante-Emma-Laden gibt es im Dorf. Einzig der „Maurerwirt“ hält noch die Fahne hoch. Die meisten Dörfer haben ähnliche Verluste hinnehmen müssen. In den letzten Jahrzehnten wurden eben grundsätzlich eher größere Einheiten bevorzugt – oder sie mussten notgedrungen geschaffen werden, siehe die Pfarreiverbunde. Trotz allem – hier lässt sich´s gut leben. Das rege Vereinsleben und die steigende Einwohnerzahl zeigen es.  

Wie sich das Dorf weiterentwickelt, hängt zu einem vom Engagement seiner Bewohner ab, zu einem gewissen Teil auch vom Gemeindeentwicklungskonzept (GEK), dessen konkrete Planung und Umsetzung wegen der Corona-Krise und der damit zusammenhängenden Finanznot der Kommune wohl noch einige Zeit auf sich warten lassen wird. Und dann gibt es da noch die drohende Tennet-Monsterstromtrasse, von der zwei mögliche Varianten  nahe dem Steinbruch über den Arzberg verlaufen sollen. Für die Dorfbewohner ein völliges Unding. Dass ihnen ihr Heimatort in der Altmühltal-Idylle am Herzen liegt, zeigt sich auch daran, dass insbesondere gegen diese Trassenführungen und gegen die Trasse an sich im Juli 2019 spontan eine Bürgerinitiative gegründet worden ist. Wenn´s draufankommt, haben die „Kottingwörther Stemp´m-Fresser“ schon immer zusammengehalten.